Row Zero – Gewalt und Machtmissbrauch in der Musikindustrie
Ich habe noch nie Rammstein gehört und habe es auch nicht vor. Trotzdem verfolgte ich die Enthüllungen der Irin Shelby Lynn über die Abläufe bei deren Konzerten und registrierte etwas verstört, dass der Skandal, der eigentlich die Musikwelt ändern sollte, der Band gar nicht schadete, sondern sie und deren Label sogar noch reicher machte. Durch gemeinsame Kontakte zum Investigativ-Journalisten
Daniel Drepper auf LinkedIn erfuhr ich zufällig am 31. Mai von dem Erscheinen seines Buches (am 28. Mai). Ich holte es am Samstag in der
Buchhandlung Lösch ab und hatte es am Sonntag, 2. Juni, um 10 Uhr ausgelesen – bin grade Strohwitwer, Ute ist in Paris.
Meine Liebe zur Musik entstand, als ich mit 7 Jahren Gitarren lernen durfte und mit 11 Jahren nach Hersbruck kam und in meinem eigenen Kellerzimmer meine erste selbst zusammengesparte Stereoanlage genießen konnte. Mein Geschmack wurde durch meinen 7 Jahre älteren Bruder mitgeprägt, seine für mich schönsten Schallplatten nahm ich auf meiner ersten Bandmaschine auf, das war 1974. Geschmacklich hat sich seitdem nicht mehr viel geändert, bereichert nur durch die vielen Musiker, die wir durch das
Hersbrucker Gitarrenfestival und unsere eigenen Veranstaltungen, die
Unterkrumbacher Werkstatt-Tage live erleben durften.
Deshalb kenne ich die meisten Künstlerinnen und Rapper, um die es im Buch geht, so gut wie gar nicht, auch wenn ich von Madonna schon mal gehört habe. Dass ich das Buch trotzdem jedem empfehlen kann, der sich jemals mit Musik beschäftigt hat, hängt damit zusammen, dass es nicht auf der Rammstein-Ebene bleibt, sondern wesentlich tiefer geht. Dabei deckt es menschliche, überwiegend männliche Abgründe auf, die meinen Blick auf die Musikszene mit einem Mal verändert haben.
Die tragischen Geschichten von Tina Turner über Britney Spears und Michael Jackson bis hin zu weiblichen Fans von heutigen Rappern sind eben keine zufälligen Einzelgeschichten, sondern die Folge einer weltweit akzeptierten Struktur des Machtmissbrauchs in der Musikindustrie (vermutlich nicht nur hier). Diesen decken Daniel Drepper und Lena Kampf zusammen mit vielen Kolleginnen nicht nur auf, sondern bringen sie auch in den historischen, politischen und juristischen Kontext. Es ist kein schönes Buch, aber eines, das sich zu lesen lohnt, unbedingt in der Buchhandlung Ihres Vertrauens bestellen.
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