von | Jan 21, 2021

Kann der neue Cognac Trusart eines Hersbrucker-Hamburgers regional sein?

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Auf Instagram habe ich die Nachricht gelesen, dass ein ehemaliger Hersbrucker aus Hamburg den eigenen Cognac des Ur-Ur-Urgroßvaters in Frankreich neu produzieren lässt.

Die Bewohner der Hersbrucker Alb sind ja einerseits Vorreiter echter regionaler Wirtschaftskreisläufe – erfunden vom Naturschutzzentrum Wengleinpark – andererseits wird Wein aus Südafrika als regional bezeichnet, weil das Weingut der Familie Dauphin gehört, die in Offenhausen wohnten und in Hersbruck aktiv sind. Regionalgeschichten sind halt umso spannender, je internationaler sie sind.

Ich bat den Ur-Ur-Ur-Enkel Christoph Richter mir irgendwann mal eine Flasche persönlich vorbeizubringen, ich will ja im Nachhaltigkeitsblog die Geschichte darüber erzählen. Am 12.12. 2020 besuchte er uns und ich hielt begeistert den ersten Trusart Cognac in der Hand. Christophs Vorfahre A. C. Albert Schulze taufte seine Firma 1868 in Altona – seinerzeit noch nicht „in“, sondern „neben“ Hamburg – auf den Mädchennamen seiner Frau, weshalb „Trüsart“ mit „ü“ geschrieben wurde. „Schulze Cognac“ wäre irgendwie schon damals uncool gewesen.

Offensichtlich war er erfolgreich, damals durfte man Cognac noch in Altona brennen, was ab dem Zweiten Weltkrieg ob neuer Regionalvorschriften nicht mehr erlaubt war. Denn ab da heiß in Deutschland aus Wein gebrannter Schnaps einfach „Weinbrand“.

Die Bilder des Geländes auf dem Etikett und der Ausstellung auf der Gewerbeschau sind in der Tat beeindruckend. Anhand dieser „Werbemarken“ kann man nachvollziehen, warum Christoph an der Firma, der Marke, deren (der) Spirit(uose) hängt. Sein Großvater Walter Grube hat ihm Ende der 50er Jahre von großen Absatzschwierigkeiten erzählt, dann verkaufte er die Firma und die Marke Trusart.

„Großvater Walther Grube berichtete mir oft, wie er damals versucht hat, die Produktion weiterzuführen. Ende der 50er-Jahre fiel dann der Entschluss, das Unternehmen und die Marke Trusart zu verkaufen. Einig wurde man sich damals mit der Firma Hermann G. Dethleffsen aus Flensburg, einem historischen Rumhandelshaus. Die Produktion des Trusart-Weinbrand fand bald nicht mehr in Altona statt, dort wurde nur ein Auslieferungslager aufrechterhalten. Im Laufe der Jahrzehnte scheint die Weinbrandproduktion dann immer weniger interessant gewesen und der Absatz immer weiter gesunken zu sein, so dass die Marke Trusart verschwand. Sie wurde schließlich neben anderen Marken (wie Bommerlunder) von der Berentzen-Gruppe übernommen und nicht mehr genutzt. Da der Markenschutz 2017 ausgelaufen war und nicht mehr verlängert wurde, hatte ich die Gelegenheit, die alte Marke meiner Familie wieder anzumelden und mit der Wiederbelebung zu beginnen.“

Der neue Besitzer und Großhändler G.Dethleffsen verkaufte Trusart viele Jahre später an Berentzen (kennen wir vom Apfelkorn) und Christoph blieb dran, bis Berentzen 2017 die Markenrechte nicht mehr beanspruchte. Wenige Minuten später sicherte er sich dieselben beim Patentamt: die Marke seines Ur-Ur-Ur-Großvaters war zurück in der Familie und er suchte einen Produzenten im Cognac Anbaugebiet, der nicht wie alle anderen Kollegen seine ganze Ernte an Hennessy und Remy Martin verkauft, sondern zusätzlich auch eigenen Cognac macht. Den brennt man übrigens zwei Mal aus ungeschwefelten Weißwein, der nichtmal gut schmeckt, aber der nach dem Brand viele Jahre in Fässern lagert und danach zu Blends verschnitten komponiert wird. Das ist auch die Kunst der ganz großen Marken, dass sie aus unterschiedlichen Bränden den markentypischen Geschmack erhalten.

Christoph ist mit seinen ersten 150 Flaschen, die man- nebenbei erwähnt – bei uns kaufen kann (für 79 Euro) am Anfang der neuen Familiengeschichte, aber regionalen Cognac aus der Hersbrucker Alb (Christoph ist erst nach der Firmengründung nach Neumarkt umgezogen) wollen wir weiterhin unterstützen. Eine wichtige Info ganz am Rande: Trusart schmeckt köstlich und bei uns in Unterkrumbach sind zwei der 150 Flaschen auf Lager und zum gemeinsamen Probieren habe ich natürlich auch einen offen, es ist ein Erlebnis im Geiste der regionalen und internationalen Wirtschaftskreisläufe.

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Solange der Vorrat unserer 23 Jahre alten Cognacschwenker mit dem ebenso alten, wie rattenscharfen Möbelmacherlogo noch reicht, sind bei jeder Flasche zwei dabei (aber nur für die, die sie zu schätzen wissen, niemand muss die gegen seinen Willen mitnehmen).

 

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