von | Apr 30, 2020

„Heimat ist ein Raum aus Zeit“: heute ist die Videoveröffentlichung des mehrfach ausgezeichneten Films

Allgemein, Bücher, Kulturveranstaltungen

Michael Höfner vom Label GMfilms bot uns als Blogger schon vor der Veröffentlichung  des im September 2019 erstmals ausgestrahlten Kinofilms die DVD „Heimat ist ein Raum aus Zeit“ an. Seit dem Ende der 90er Jahre haben wir uns viel mit dem Heimatbegriff beschäftigt:  „Heimatpreis der Volks und Raiffeisenbanken“ 1998; Vereinsgründung aus Gastronomen und Direktvermarktern „Heimat auf´m Teller„; Lesung mit Christian Schüle aus seinem Buch „Heimat“; Werkstatt-Tage mit dem Titel „Holz und Heimat“ und noch vieles mehr. Also baten wir die GMfilm begeistert um ein Rezensionsexemplar und  durften damit das für den deutschen Filmpreis vorgeschlagene und bereits mehrfach ausgezeichnete Werk schon vor seiner offiziellen Erscheinung am heutigen 30. April anschauen und es ist in der Tat beeindruckend.

Ein außergewöhnlicher Film, in dem der Autor und Regisseur Thomas Heise die Geschichte seiner Familie von 1897 bis in die Gegenwart anhand von Briefen, Notizen, Artikeln erzählt. Er liest sie mit angenehmer Stimme vor und zeigt dazu assoziative Bilder, Dokumente und Filmsequenzen. Man könnte diese 218 Minuten lange Collage auch bebildertes Hörbuch nennen, aber weil die Bilder mindestens wichtig wie die Texte sind – auch wenn sie nicht eins zu eins zusammengehören – bleiben wir beim Film. Die über dreieinhalb Stunden sind zugegeben lang, aber spannend und sie  zeigen eindrucksvoll, dass unsere großen aktuellen Probleme kleiner sind, als die der Juden während des Nationalsozialismus, aber auch die der Intellektuellen in der DDR und die Stunden vergehen viel schneller, als man denkt. Gönnen Sie sich einen langen Abend, oder teilen Sie sich den Film in die vier Kapitel auf, aber schauen Sie unbedingt „Heimat ist ein Raum aus Zeit“,  es ist wirklich ein Erlebnis. Man kann ihn ausleihen oder – viel besser – als DVD kaufen (12,90 €)

Inhalt

„Was bleibt? Biografien hinterlassen Spuren. Die Zeitläufte auch. Wie sich das eine zum anderen verhält untersucht Thomas Heise in „Heimat ist ein Raum aus Zeit“.
Der Film folgt den biografischen Spuren einer zerrissenen Familie über das ausgehende 19. und das folgende 20. Jahrhundert hinweg. Es geht um Menschen, die einst zufällig zueinander fanden, dann einander verloren. Deren verbliebene Kinder und Enkel jetzt verschwinden. Es geht um Sprechen und Schweigen. Erste Liebe und verschwundenes Glück. Väter, Mütter, Söhne, Brüder, Affären, Verletzung und Glück in wechselnden Landschaften, die verschiedene, einander durchwuchernde Spuren von Zeiten in sich tragen.
Eine Collage aus Bildern, Tönen, Briefen, Tagebüchern, Notizen, Geräuschen, Stimmen, Fragmenten. „Heimat ist ein Raum aus Zeit“ ist ein Nachdenken über die Zeit und die Liebe in ihr, den Menschen, in Tönen, Bildern und Sprache. Immer bleibt ein Rest, der nicht aufgeht.“

 

Empfohlene Links zur Vertiefung

Auf der Seite von GMfilm findet man ganz viel super interessantes Material vor allem unter Presse

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https://www.zeit.de/2019/39/thomas-heise-dokumentarfilm-heimat-familie-generationen

Dreieinhalb Stunden Briefe, Tagebucheinträge, Entwürfe von Memoiren, Notizen, et cetera – von Heise selbst aus dem Off vorgetragen – vergehen wie im Flug. Mit den Bildern und Worten ist auch die Zeit im Fluss. Bei Heise beginnt sie 1912, mit einem Schulaufsatz seines Großvaters Wilhelm, der sich aus einfachen Verhältnissen bis zum Lehrer emporarbeitete und wegen der Ehe mit einer Jüdin, Heises aus Wien stammender Großmutter Edith, mit nur 40 Jahren zwangspensioniert wurde. Und sie endet 2013 mit Heise selbst, der sich nicht schlüssig ist, was er mit seinem eigenen Film anfangen soll. Dazwischen: Heises Eltern Wolfgang, ein Philosophieprofessor, und Rosemarie, eine Romanistin, die Korrespondenzen mit Christa Wolff, Heiner Müller und Wolf Biermann pflegten; Heises Bruder Andreas sowie der Regisseur selbst.

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https://www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/heimat-ist-ein-raum-aus-zeit-2019

Statt das Vorgetragene mit Familienfotos, privaten Filmaufnahmen oder typischen Zeitdokumenten auf der Bildebene lediglich zu (ver)doppeln, schreiten Heises Kameramänner die so nicht mehr existenten Orte in der Gegenwart ab. Ein Großteil des Materials stammt vom Berliner Ostkreuz, das der Regisseur 2009 für das Fernsehprojekt 24 h Berlin – Ein Tag im Leben ins Bild rückte. Beim Betrachten stellt sich so zwangsläufig die Frage nach dem Verhältnis von Vergangenheit und Gegenwart, ob wir etwas aus der Geschichte lernen und wenn ja, was. Und immer wieder: Gleise, Personen- und Güterzüge. Das Leben – ein Rangierbahnhof, ein stetes Vorwärtsbewegen in der Zeit.

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https://www.spiegel.de/kultur/kino/thomas-heise-zu-heimat-ist-ein-raum-aus-zeit-und-ignorante-westdeutsche-a-1288564.htm

Thomas Heise, geboren 1955 in Ost-Berlin, studierte zunächst in Babelsberg an der Filmhochschule der DDR. Bis zur Wende waren seine Filme nicht zu sehen, nach 1990 wurde er mit Filmen wie „Stau“ oder „Material“ zu einem der wichtigsten Dokumentarfilmer Deutschlands. In dieser Woche startet „Heimat ist ein Raum aus Zeit“, ein fast vierstündiger Film, in dem Heise aus Briefen und Dokumenten von vier Generationen seiner Familie vorliest und so fast hundert Jahre deutsche Geschichte einfängt. „Heimat“ wurde u.a. auf den Filmfestivals von Jerusalem und Nyon ausgezeichnet und gewann den Deutschen Dokumentarfilmpreis.

SPIEGEL: Ihr Großvater Wilhelm Heise war Germanist und Pädagoge, der von den Nazis Berufsverbot erhielt und später in der DDR Pädagogik-Professor wurde. Ihre Eltern Rosemarie und Wolfgang Heise waren bekannte Intellektuelle in der DDR. Heiner Müller nannte Ihren Vater den „wahrscheinlich einzigen DDR-Philosophen, der es nicht verdient hat, in der aktuellen Inszenierung des Vergessens zu versinken.“ Wann entstand bei Ihnen das Gefühl, dass sich anhand Ihrer Familie etwas über deutsche Geschichte erzählen lässt?

Heise: Mir ist irgendwann aufgefallen, dass sich bestimmte Strukturen in den Generationen wiederholen: Alle aus dieser Familie haben sich zum Beispiel Krach mit den Oberen eingehandelt – egal in welchem Regime. Es hat immer geknallt, da war prinzipiell eine Widerständigkeit vorhanden. Als meine Mutter 2014 starb und ein Jahr später mein Bruder, habe ich festgestellt, dass nun keiner mehr da ist. Da wusste ich, dass ich jetzt was draus machen muss.

Heise: Die ersten Briefe habe ich schon als Kind gefunden: Die waren in einem Karton unter einer Kommode verstaut, unter die ich beim Verstecken gekrochen bin. Das braune Packpapier mit der Schrift drauf hat mich schon damals fasziniert. Was das genau ist, habe ich erst viel später kapiert: Das waren die Briefe, die mein Vater und sein Bruder an ihre Eltern geschrieben haben, als sie 1944 in einem Zwangsarbeitslager für „jüdische Mischlinge“ interniert waren. Die Briefe habe ich dann mit der Lupe entziffert und transkribiert, weil sie schon am Zerfallen waren. Seitdem beschäftigen mich diese Zeugnisse.

Heise: Einen Begriff wie Heimat muss man sich zurückholen. Die Debatte hatte ich schon bei meinem Film „Vaterland“: Da wurde ich auch gefragt, warum der so heißen muss. Aber warum sollte ich so einen Begriff irgendjemandem überlassen? Wenn ich den benutze, ist er meiner, weder rechts noch kontaminiert.

 

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