von | Mrz 14, 2015

„Möbelhaus“ von Robert Kisch ist ein bitterer Tatsachenroman aus einer anderen Möbelwelt

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Möbelhaus – Tatsachenroman von Robert Kisch

Unter dem Pseudonym Robert Kisch schreibt ein ehemals preisgekrönter Journalist – eine „Edelfeder“ mit Theodor-Wolff-Preis! – einen Tatsachenroman über seine Erfahrungen und Gefühle bei der Arbeit in einem Möbelhaus. Die 314 Seiten habe ich in zwei Nächten verschlungen. Ich bin ein wenig schockiert, ganz schön enttäuscht und gleichzeitig fallen mir einige Erlebnisse aus der Möbelwelt der letzten Jahrzehnte wieder ein.

Es geht um ein großes anonymes Möbelhaus, eines – das wie so viele – ihre Verkäufer größtenteils nach Provision bezahlt. Das Grundgehalt von rund 1400 Euro reicht hinten und vorne nicht und via Provision, die bei einem Prozent anfängt, kann man selten vernünftig, meist zu wenig aufstocken. Kisch musste als arbeitsloser Journalist den Job annehmen, um Sohn und just jene Ehefrau mehr schlecht als recht zu ernähren, die ihn wenig später verließ. Er hatte sogar ein ganz klein wenig Verständnis dafür, denn die Arbeit im Möbelhaus hatte ihn und sein Leben verändert.

Persönliche Betroffenheit ob der seelischen Grausamkeit

ZeichnungRobertKischausgeschnitten

Warum das Foto von Robert Kisch aus dem Spiegel hier nur abgemalt ist, erfahren Sie im nächsten Blogbeitrag

Es gibt zu diesem Buch bereits Besprechungen und ein klasse Radio-Interview, zu denen wir weiter unten verlinken, alles das müssen wir hier nicht wiederholen. Wir wollen hier vielmehr unsere persönliche Betroffenheit zum Ausdruck bringen. Wir bedauern, dass ein Kollege – oder sind es sogar furchtbar viele unserer Kollegen – von Inhabern und Abteilungsleitern in Arbeitsverhältnissen und Betriebsklimata schuften, die Kisch bildhaft als „mein Gefängnis“ beschreibt. Dazu zählt auch der Umgang der Verkäufer untereinander, der von einigen Ausnahmen abgesehen, von Neid und Missgunst geprägt sei.

Auch alle Unterkrumbacher  Möbelmacher leben ausschließlich von den verkauften Möbeln, aber doch ist es anders. Es gibt keine Provision, kein „Wegschnappen“ von Aufträgen und keinen Neid untereinander, denn alles, was die Möbelmacher für ihre Kunden verwirklichen, kommt der ganzen Mannschaft zugute. Diese verdient ein geregeltes Gehalt und das seit bis zu 25 Jahren ohne Unterbrechung.

Kunden aus der Hölle

Auch wir beschweren uns heimlich untereinander ab und zu über Kunden, die es nach stundenlangen Beratungsgesprächen nicht einmal schaffen, eine einfache Email zu beantworten. Wobei uns ein einfaches „haben uns anders entschieden“ bereits freuen würde, denn nichts ist beleidigender als keine Antwort. (Vielleicht muss man dazu erklären, dass wir die Erfahrung gemacht haben, dass keine Antwort nicht bedeuten muss, dass die Idee begraben ist, denn neben technischen Pannen, Krankheiten oder Urlauben gibt es noch viele Situationen, die eine Einrichtungsidee aufschieben können, also müssen wir die Unterlagen mangels Nachricht noch viele Jahre – leider trotzdem häufig umsonst – aufheben.)

Aber über unsere „Worst-Case-Szenarios“ kann Kisch wohl nur lächeln, denn er beschreibt in seinem Buch die echten Kunden aus der Hölle: Im Größenwahnsinn geben sie zu verstehen, dass der Verkäufer ein moderner Sklave in prekärer Lage ist. Und sie trampeln selbstgerecht und unbelehrbar auf ihm herum und manchmal suchen (und finden!) auch noch Verstärkung bei der Geschäftsleitung. Wir wissen durchaus, dass heutzutage jeder im Verkauf ein ziemlich hartes Fell braucht, aber in den geschilderten Fällen wären wohl eher eine Panzerung von nöten.

Es gibt auch dankbare Kunden für ehrliche Beratung

Nur weil man von der Provision lebt, wird man noch kein Betrüger, kein „Über-den-Tisch-Zieher,“ hin und wieder erlebt der Autor auch Freuden mit dankbaren Kunden, denn die sorgfältig ausgewählte Einrichtung hätte ja wirklich einen großen Einfluss auf die persönliche Lebensqualität, würde man sich ernsthaft und jenseits der Rabattschlachten damit beschäftigen.

In den letzten 26 Jahren haben wir viele Veranstaltungen und Treffen mit Möblern erlebt, bei denen nicht nur Inhaber, sondern auch viele Mitarbeiter von kleinen aber auch von sehr großen Möbelhäusern anwesend waren. Mit dem Hintergrundwissen aus diesem Buch haben wir einen anderen Einblick in deren mögliche Situationen und sehe einige Verhaltensweisen in ganz neuem Licht.

Als Kompletteinrichter, die die Holzmöbel selbst fertigen, aber das ergänzende Programm von Polstermöbeln, Vorhängen, Matratzen und Stühlen aus ähnlichen Quellen wie der Autor beziehen, können wir nach der Lektüre des Buches besser verstehen, warum manche Verkäufer sich nicht an Preislisten und Verträge halten und warum sie weniger an der guten Beratung, als am schnellen Verkauf interessiert sind. Allein, das ändert nichts daran, dass diese Verhaltensweisen eine ganze Branche in Verruf bringen. Komplett zerstört wird die Freude am Möbelkauf dann aber über die Werbung, die mittels Verdrängungswettbewerb mit Rabattschlachten suggeriert, dass nur der Rabatt Freude macht und nicht das Möbel. Dabei zeigt Kisch deutlich, dass jeder Käufer nur das als Nachlass erhält, was vorher draufgerechnet wurde. Er erwähnt dabei auch einige Marken, die das anders machen – wie unsere Marken auch – aber insgesamt steht der Preis in einem ungünstigen Verhältnis zur Qualität.

Wir möchten mit diesem ausgesprochen unfröhlichen Buch darauf hinweisen, dass es nicht egal ist, bei welchen Betrieben man einkauft, selbst dann, wenn das gelieferte Produkt am Ende das gleiche wäre. Der Autor beweist auch, dass der Preis auf Dauer nur eine unzureichende Bezugsgröße ist, denn persönliche Beziehung, ehrliche Beratung, langfristiger Service und einfach Zufriedenheit sorgen für viel mehr Freude an der Einrichtung.

Das Buch „Möbelhaus – ein Tatsachenroman“ (Droemer Knaur, München, 320 S., 19.50 €) von Robert Kisch

Wir haben dem Autor über den Spiegelredakteur Alexander Kühne ausrichten lassen, dass wir an einer Lesung interessiert wären, sollte er sich doch dafür entscheiden. Wer dabei sein will, kann seine Adresse hinterlassen, dann laden wir persönlich ein.

Nachtrag: Beim Bayerischen Rundfunk gibt es jetzt auch ein weiterführendes Video (Capricio), in dem Kisch schon fast erkennbar ist.

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Zur Aufmunterung die Geschichte unserer Fotoanfrage beim Spiegel

Interview der Sendung Aspekte von Tobias Schlegl mit Robert Kisch (6 min)

Interview mit Robert Kisch von Adrian Schräder

Spannende Gedanken der ZEIT zum Thema Geschlechterrollen

Artikel in Taz 

Artikel im Spiegel

Interview im Deutschlandradio Kultur

Der Hintergrund zum Pseudonym „Robert Kisch,“ das an den „rasenden Reporter“ Egon Erwin Kisch erinnert
 

 

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