Am Dienstag 8.7. um 19 h
geht es im SlowLädla, Hersbruck, Martin-Luther-Str. 5
um die gerade in und um Hersbruck lang bestehende Hirtenkultur und ihr zu befürchtendes Ende.
Die Älteren unter uns konnten noch erlben, wie im Hersbrucker Umland der Gemeindehirte die Kühe auf den örtlichen Hutanger trieb. Das war hier länger der Fall als anderswo, aber seit den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts ist es Vergangenheit. Nur selten machen wir uns klar, dass damit eine Tradition ihr Ende gefunden hat, die seit Menschengedenken diese Gegend geprägt hatte und die insgesamt die Menschheit so lange begleitet hat, wie von Kultur ernsthaft die Rede sein kann.
Hirten und Hochkultur
Vor mehr als zehntausend Jahren begannen im “fruchtbaren Halbmond” in Kleinasien Menschen Feldfrüchte anzubauen und sesshaft zu werden. Etwa zur gleichen Zeit fingen sie auch an, Tiere zu zähmen und in Herden zu halten. Dörfer bildeten sich und sehr schnell auch große und sehr große Städte – und die mächtigen Reiche des Vorderen Orients. Aber beides war nicht ohne Zusammenhang. Die frühen europäischen Kulturen in Kreta und Mykene mit ihren prächtigen Palästen beruhten auf dem Reichtum ihrer Herden. Blütezeiten des Hirtenwesens und der Kultur waren dann wieder die griechische und römische Antike und später die Renaissance. Die Kuppel des Doms von Florenz wurde von der Gilde der Wollhändler finanziert. Bereits die Antike wusste viel über die Bedürfnisse, Gefährdungen und Krankheiten der Tiere – und dieses praktische Wissen tauchte in den Werken der größten Dichter auf – so bei Hesiod, Vergil und Ovid.
Von daher ist es auch nicht verwunderlich, dass sich allerorten in den Schriften wirkliche und mythische Hirten finden. Angefangen von Gilgamesch, dem Hirten von Uruk, über den Hirtenknaben, der dann der biblische König David wird, bis zu Paris, der durch sein Urteil im Schönheitsstreit dreier Göttinnen den trojanischen Krieg auslöst. Und natürlich gibt es auch Hirtengötter, so den Pan Arkadiens oder den römischen Herkules. Nicht zu vergessen, dass das Christentum sich Jesus als den guten Hirten vorstellt.
Auch hierzulande wirkte das Hirtenwesen prägend auf die Hochkultur.
Der “Pegnesische Blumenorden”, die sogenannten Pegnitzschäfer, erneuerte im 17. Jahrhundert Sprache und Dichtkunst. In ihm trafen sich im Hirtengewand würdige Personen, Nürnberger und andere Akademiker, die z.B. in Altdorf studiert hatten, auf einer Pegnitzwiese, später im Irrhain, redeten sich mit Hirtennamen an, diskutierten und verfassten Hirtengedichte. Auf der großen Friedensfeier nach dem Dreißigjährigen Krieg hielt der Präses des Ordens die Festrede und trug dabei zwei Hirtengedichte vor, die den Frieden priesen.
Komplexe Weidewirtschaft
Aber auch die Hirtenkultur selbst ist komplexer als wir sie uns vielleicht vorstellen. So wurden seit der Antike in der sogenannten Transhumanz die Tiere in jahreszeitlichem Wechsel über große Strecken, teilweise über mehrere hundert Kilometer, getrieben, um klimatisch und hinsichtlich der Nährstoffe optimale Bedingungen zu erhalten. Auch in unserer Gegend gab es bereits seit dem späten Mittelalter Wanderungen von Weidetieren über weite Strecken. So zogen Rinderherden aus Ungarn und Südpolen über Hersbruck und Nürnberg bis ins Rheinland. Die Finanzierung dieses Fernhandels durch das Nürnberger Patriziat bildete eine frühe Quelle seines Reichtums. Und der Hersbrucker Geldschatz, der unlängst im Hirtenmuseum ausgestellt war, könnte aus diesem Handel stammen.
Ein anderer prägender und nach wie vor interessanter Aspekt der Hirtenkultur war die Allmende (Hutweide, Espan etc.) , der gemeinsame Grund, auf dem die Tiere weideten und der der Gemeinschaft gehörte und von ihr gepflegt wurde. Mit der Rinderweide auf den Hutangern in den Sechzigern sind auch diese Allmenden zu einem Ende gekommen.
Fortschritt – oder nicht
Nun kann man das alles als den notwendigen Preis des Fortschritts betrachten. So wurde das auch gesehen seit (in Deutschland etwa zu Beginn des 19. Jahrhunderts) die Allmenden und die extensive Weidewirtschaft zugunsten der effektiveren intensiven Stallhaltung aufgegeben wurde. Aber heute wird diese Sichtweise nicht mehr allgemein geteilt. Wir bemerken, dass an dieser Entwicklung damals und heute nicht nur wissenschaftlicher Fortschritt, sondern auch wirtschaftliche Interessen beteiligt waren. Wir erkennen wieder die Vorteile der Weidehaltung, wo die Wiederkäuer nicht mit der Nahrung gefüttert werden, die auch Menschen zuträglich ist und die heute meist aus den Ländern des Südens eingeführt wird, und wir bezweifeln, dass die Effektivität der Massenmast- und -schlachtanlagen wirklich die Zukunft unserer Ernährung sein muss.
Aber gegenwärtig geht überall die Entwicklung noch in diese Richtung, die allenfalls noch Nutztiere und keine Haustiere mehr kennt. Überall? In einem kleinen Ort im Südosten Deutschlands werden seit einigen Jahren die Hutanger wieder mit einer alten Rinderrasse beweidet …
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