von | Dez 3, 2010

DIE ZEIT über das regionale Musterhaus der Möbelmacher

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Kirsten Brodde in Die Zeit Nr. 48 mit freundlicher Genehmigung der Autorin

Architektur Spießig war gestern

Holzhäuser gewinnen immer mehr Anhänger. Sie lassen sich auf ökologische Weise bauen, erobern inzwischen sogar die Städte – und wachsen in die Höhe.

 

Bei Holzhäusern gibt es Klischees, die sich hartnäckig halten. Zum Beispiel dass sie einen Hang zur Biederkeit haben und buchstäblich hölzern aussehen. Dem Irrglauben des urigen Blockhütten-Looks wollte herwig Danzer, Möbelmacher aus Unterfranken und selbst ein rustikales Kraftpaket, etwas entgegensetzen. Und so baute er bereits vor zehn Jahren mit Holz und Handwerkern aus der Region ein Musterhaus, das ein »modernes Antlitz« hat, wie er sagt. Außen blieb er zwar demonstrativ bei purer Lärche, innen tünchte er das Haus jedoch weiß und warf ihm quasi ein helles Laken über.

Noch heute wohnt Danzer mit seiner Familie in seinem Solitär auf der Hersbrucker Alb. Sein Holzhaus hat zwar über die Jahre Patina angesetzt, ist zugleich aber hochaktuell und ein Liebling der Kunden, die nach Danzers Vorbild der »Steinzeit« entkommen wollen. Gute Dämmung, angenehmes Raumklima, ein nachwachsender Rohstoff und somit ein ressourcenschonendes Bauen – all dies verbuchen Bauherren und Architekten auf der Plusseite von Holzhäusern.

Bei Ein- und Zweifamilienhäusern haben Holzhäuser hierzulande bis dato einen Marktanteil von rund 15 Prozent erobert. Bei einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstitutes Ipsos gaben sogar 42 Prozent der Befragten an, sie würden gern in einem Haus aus Holz wohnen. Nur noch vier Prozent meinten, Holz sei »spießig« und »altmodisch«. Kein Zweifel: Holzbauten sind keineswegs mehr etwas für Außenseiter, sondern im Mainstream angekommen.

Während Holzbauer wie Herwig Danzer die wachsende Nachfrage eher im kleinen Stil bedienen und von Kunden ihrer Region bevorzugt werden, gibt es auch deutschlandweit tätige Branchenriesen wie die Firma Bau-Fritz aus Erkheim im Allgäu. Sie baut 180 bis 200 Häuser im Jahr. Kein anderer Anbieter schneidet in puncto ökologische Konsequenz so gut ab wie der Traditionsbetrieb. »Mit einem Tragwerk aus Holz ist es nicht getan«, sagt Firmenchefin Dagmar Fritz-Kramer, deren Urgroßvater schon Holzhäuser in seiner Zimmerei baute. Für eine wahrlich gute Ökobilanz sollten die vier Wände auch in Sachen Dämmung, Heizung und Baustoffe punkten. Bau-Fritz dämmt mit Spänen, die beim Hobeln abfallen, empfiehlt Holzpelletheizungen plus Solarunterstützung oder Wärmepumpen. Sogar Holzhäuser mit Mini-Blockheizkraftwerk im Keller haben die Erkheimer schon gebaut. Ihr Tipp lautet: »Macht euch unabhängig von fossilen Energien!«

Bau-Fritz zieht Kunden an, die aus einem Haus ökologisch das Optimum herausholen wollen und damit schon bei den Baustoffen anfangen – auf dass diese für Mensch und Umwelt unbedenklich sind. Um auf Nummer sicher zu gehen, laufen daher bei der Firma alle Materialien durch ein eigenes Labor. Ein Holzhaus ohne giftige Kleber und Schäume und mit nickelfreien Wasserhähnen kostet zehn bis fünfzehn Prozent mehr als sein konventionelles Pendant. Wem es allerdings vorrangig um ein energetisch optimiertes Heim gehe – sprich wer nicht in jedem Detail die ökologisch beste Lösung wählt –, der brauche nicht tiefer in die Tasche zu greifen als sonst, sagt Dagmar Fritz-Kramer.
Die gute Nachricht ist, dass der Staat und die staatliche KfW dieses Bauen fördern. Um bis zu 20 Prozent können Eigenheimbesitzer ihre Kosten reduzieren, wenn sie sich rechtzeitig um ordentliche Zuschüsse bemühen. Obendrein gibt es zinsgünstige Darlehen von Umweltbanken für Ökobauten.

Niemand, der ein Holzhaus will, muss darauf lange warten. Inklusive Innenausbau steht es nach zehn bis zwanzig Wochen. Zu den damit gerne verbundenen Irrtümern zählt die Vorstellung, dass Holzhäuser nicht unterkellert werden können oder große Fenster ein Tabu sind. Im Gegenteil, sagt Fritz-Kramer. Gerade auf der Südseite versprechen Fenster große Solareinträge, sprich: Es wird warm. Die Langlebigkeit wiederum hängt von Pflege und Wartung ab. Einige Pagoden in China, die zu den ältesten Gebäuden der Welt zählen, sind aus Holz.

Ein aktuelles Thema, dem sich die Szene stellen muss, ist die Frage nach der Herkunft des Rohstoffes, denn das Fällen von Wäldern ist eines der bedeutsamsten ökologischen Probleme weltweit. »Wir verbauen fast ausschließlich Hölzer aus Bayern«, antwortet Dagmar Fritz-Kramer. Nur rund fünf Prozent stammten aus Finnland und seien gemäß dem PEFC, einem internationalen Programm für nachhaltige Waldwirtschaft, zertifiziert. Im Gegensatz zum strengeren Siegel des Forest Steward Council (FSC) gilt dieses Zeichen aber als weicher, vor allem was die Strenge der Kontrollen angeht. Dem höchsten Standard – und damit den eigenen Ansprüchen – hinke man in diesem Punkt »ein bisschen« hinterher, räumt die Firmenchefin denn auch ein, um dann flugs über heimische Lärche und Fichte zu reden und ihren Traum von einem Hochhaus. »Gesundes Wohnen im 34. Stock« nennt sie den auf den ersten Blick gespenstischen Plan für einen schmalen und hohen Himmelsstürmer aus Holz.

Abwegig ist die Idee für solch einen Wolkenkratzer jedoch nicht. Längst haben Holzhäuser die Stadt und im Zuge dessen auch luftige Höhen erobert. Geradezu revolutionär ist das siebengeschossige Bauwerk E3 in Berlin. Nach dem Entwurf der Architekten Tom Kaden und Tom Klingbeil entstand das bislang höchste Wohnhaus aus Holz in einer europäischen Innenstadt. Von außen gar nicht als Holzkonstruktion zu erkennen, zeigt es sich modern und ökologisch zugleich. Sieben Parteien wohnen darin, bei einem Jahresenergiebedarf von nur 30 Kilowattstunden pro Quadratmeter. Das ist deutlich weniger als bei klassischen Neubauten und erst recht weniger als bei Altbauten.

Das Haus an der Esmarchstraße 3 – daher das Kürzel E3 – sei in Prenzlauer Berg ein Publikumsmagnet, sagt Architekt Tom Kaden. Der muss es wissen, denn er residiert mit seinem Büro gleich unten drin. So sei er zugleich eine Art lebende Beschwerdebox für die Bewohner, lächelt Kaden. Er wirkt ein wenig gehetzt, weil er gerade von einer Baustelle kommt. Nicht nur in Berlin, auch in Hamburgs HafenCity interessieren sich Bauherren für die Fortschritte bei Holzhäusern. Man dürfe dem Baustoff nur nicht zu viel zumuten, sagt der Architekt. Daher würden im E3 neben Holz auch geringe Mengen an energieintensiv produziertem Stahl und Beton eingesetzt.
Fragt sich, ob so ein hölzernes Implantat in der Stadt immer einen kubischen und kompakten Baukörper haben muss. »Noch so ein Irrglauben«, antwortet Kaden. Geradezu avantgardistisch seien die sogenannten digitalen Schreinerarbeiten des japanischen Architekten Shigeru Ban. Solche hölzernen Häuser mit Flechtstrukturen oder Dächern, geformt wie ein Strohhut, erinnern allerdings ein bisschen an Disneyland. Green glamour, den einige Kritiker bei ökologischen Bauten noch vermissen, haben solche Skulpturen aber sicherlich.

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Mehr zum regionalen Musterhaus auf der Homepage der Möbelmacher

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