Nina Brunner bei der Arbeit

Ich sage zu unserer Verwaltungschefin Nina Brunner: 
„Wir schreiben 1000 von unseren 5500 Kundinnen mittels KI oberflächlich nach Optik, Auto und Umsatz ausgewählte Menschen per Email an: Sie sind von unserer hochkompetenten Jury als potenzielle Träger des GROSSEN MÖBELMACHER AWARDS ausgewählt worden. Wir bringen Sie ganz groß raus und Sie könnten die GOLDENE RATTE gewinnen. Sie müssen der kritischen Jury nur noch Fragen beantworten. Aber schon jetzt dürfen sie sich für die große Gala in der KLEEDORFER
SCHLOSSALLEE zum Sonderpreis für Auserwählte anmelden.“

Der Preis: die GOLDENE RATTE

Nina schüttelt entgeistert den Kopf, aber tippt skeptisch weiter.
„Nach der Beantwortung von drei banalen Fragen beglückwünschen wir sie, dass sie (alle) nach dem irrsinnig aufwendigen Auswahlverfahren nominiert wurden: Sie sind jetzt in der Endauswahl für den GROSSEN MÖBELMACHER AWARD und halten die GOLDENE RATTE schon fast in Ihren Händen. Schon jetzt können Sie die edle Nominierungsurkunde und das Marketingpaket dafür zum Vorbucherpreis anfordern. Allerdings müssten die Karten für KLEEDORFER GALA jetzt bezahlt werden.“

Nina schaut mit fragendem Gesichtsausdruck auf.
„Nächste Mail an 90 Prozent der Teilnehmerinnen: Leider hat Sie die Jury nicht als AWARD-TRÄGER ausgewählt, aber der Galaabend mit Get Together, Networking, spannenden Vorträgen, tollem Meinungsaustausch und Anwesenheit des Butzelesdanzers (familieninternes Kosewort für Bundeskanzler) wird ein unvergessliches Erlebnis werden. Den Auftritt von Helene Angler dürfen Sie auf keinen Fall verpassen!“

Angler? Nina, die wackenerfahrene Heavy Metal Lady, lächelt gequält
„Mail an die Sieger in den zwanzig Kategorien nach Haushaltseinkommen, Beruf und an Tennis-, Golf-, und Yachtsportler: Sie haben den Hauptpreis DIE GOLDENE RATTE gewonnen – wir gratulieren herzlich, und wenn Sie den anteiligen Mediagebührenanteil bezahlen, dürfen Sie mit dem edlen MÖBELMACHER AWARD LOGO sogar auf Ihrer eigenen Website und natürlich auf Instagram, Tiktok und Facebook, aber vor allem auf LinkedIn werben, die lieben das dort. Für die kostenlose GOLDENE RATTE werden nur anteilige Lizenz- und Nutzungskosten erhoben.“

Nina kichert teuflisch, deswegen erkläre ich:
„Mit dem Geld der nominierten und Preisträger bezahlen wir Helene Angler locker, das Hotel in der KLEEDORFER SCHLOSSALLEE müssen die Teilnehmer sowieso selbst zahlen, aber wir bekommen unsere vereinbarte Provision.
Wir veröffentlichen pompöse Pressemeldungen via künstlicher Intelligenz, weil wir natürlich auch Journalisten und Politiker großzügig zur Smoking- und Abendkleidgala eingeladen haben. Die loben dort den Preis über den grünen Klee(dorf) und wir dürfen sogar in deren offiziellem Auftrag die GOLDENE RATTE vergeben.“

Unsere Gäste zahlen für Luxus Hotelzimmer und wir bekommen die Provision

Nina ist euphorisch und hat erkennbare Dollarzeichen in den Augen.
Während ich erkläre, dass wir im nächsten Jahr noch hundert Kategorien mehr einführen werden, höre ich, wie sich unsere Katze Plume (sprich Plüm für französisch „Feder“) mit ihren 6 Kilo lautstark gegen die Schlafzimmertür wirft und ich erwache schweißgebadet, öffne der Katze die Schlafzimmertür und sie legt sich genüsslich auf Utes Bauch.

Erwachen

Katze namens Plume

Auf dem WC reflektiere ich meinen Traum und erkenne, dass zwar jedes Detail einen wahren Hintergrund hat, dass Nina aber im echten Leben vom ersten Satz an protestiert und sofort Ute zur moralischen Unterstützung gerufen hätte. Ich gehe erleichtert zurück ins Bett, die Sonne geht auf, Plume putzt sich lautstark schleckend und ich bin so froh, dass es nur ein Albtraum war.

Meine traumatische Geschäftsidee ist grandios, aber leider nicht neu und schon überall gang und gäbe. Wir haben noch nie für unsere Preise und Auszeichnungen (hier aufgezählt) bezahlt, außer 290 Euro für das Holzlogo des IGR-Innovationspreises, das teuerste Stückchen Buche, das wir im Leben gekauft haben …

Also lassen bitte auch Sie sich keinen Berliner Löwen statt eines Wildschweins aufbinden und überprüfen Sie sorgfältig, welchen Menschen und Betrieben Sie Vertrauen schenken, denn just genau dafür haben wir dieses Jahrbuch Nr. 28 für Sie geschrieben.

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Hintergrund:

Ganz viele Preise, Awards und Siegel sind für die Ausschreibenden vom TÜV bis zu kleinen privaten Firmen echte Gelddruckmaschinen, einige sogar mit vermeintlicher Unterstützung der Bundesregierung. Das gilt für Unternehmenspreise im Bereich Design, Mitarbeiter, Innovation und sogar zum Thema Nachhaltigkeit. Meist, aber nicht immer, genügt eine kurze Google-Suche, um die Seriosität des Preises herauszufinden, manchmal braucht es dazu sogar investigativen Journalismus. Weil die nach dem in der Satire geschilderten Preise, die wir wie zum Beispiel den „Arbeitgeber der Zukunft“ nach dem beschriebenen Schema auch gewonnen haben (wir haben nur das Medienpaket mit der Erlaubnis zur Veröffentlichung nicht gekauft), kamen wir auf die Idee, einen eigenen Preis auszuschreiben, oder zumindest, so zu tun.

In den ersten Jahren seit der Gründung 1988 hatten die Möbelmacher ein Logo, das eine Ratte an der Hobelbank darstellte. Daher die „GOLDENE RATTE.“ Daraus sind auch einige Cartoons von Dr. Jürgen Burgmayr entstanden.